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Soziale Dreigliederung


Die soziale Dreigliederung beschreibt die Struktur einer Gesellschaft, in der die Koordination der gesamtgesellschaftlichen Prozesse nicht zentral durch einen einheitlichen Staat oder eine einzige Führungselite erfolgt, sondern in der drei grundsätzlich voneinander verschiedene Bereiche vorhanden sind:

Die drei Bereiche der Gesellschaft sind:

  • das Geistesleben, das Bildung, Wissenschaft, Religion und Kultur umfasst, sowie die Zusammenarbeit der Menschen (verstanden als Kreativitätsfaktor, etwa die Kultur der Entscheidungsprozesse oder das Betriebsklima betreffend). Als Produktionsfaktor wäre die Arbeit dem Wirtschaftsleben zuzuordnen.
  • das Rechtsleben, das Gesetze, Regeln und Vereinbarungen der Gesellschaft umfasst.
  • das Wirtschaftsleben, das die Produktion, den Handel und Konsum von Waren und Dienstleistungen umfasst.

Sie werden als autonom und gleichrangig, aber unterschiedlich in ihrem Wesen beschrieben.

Jedem Hauptbereich wird ein Ideal der Französischen Revolution als leitendes Prinzip zugeordnet:


die Freiheit dem Geistesleben,

die Gleichheit dem Rechtsleben,

die Brüderlichkeit dem Wirtschaftsleben.

Hierbei soll ein jedes dieser drei sozialen Glieder „...in sich zentralisiert sein; und durch ihr lebendiges Nebeneinander- und Zusammenwirken kann erst die Einheit des sozialen Gesamtorganismus entstehen.“[1]

Dies heiße nicht, der Wirklichkeit eine ausgedachte Utopie überzustülpen, sondern bedeute Wesenserkenntnis ohnehin schon vorhandener Wirkungsweisen nach dem Gesetz von Polarität und Steigerung, das Goethe als maßgeblich für die Morphologie erkannte: „...wir machen...auf eine höhere Maxime des Organismus aufmerksam, die wir folgendermaßen aussprechen. Jedes Lebendige ist kein Einzelnes, sondern eine Mehrheit,....Je unvollkommender das Geschöpf ist, desto mehr sind diese Teile einander gleich oder ähnlich und desto mehr gleichen sie dem Ganzen. Je vollkommener das Geschöpf wird, desto unähnlicher werden die Teile einander....Die Subordination der Teile deutet auf ein vollkommenes Geschöpf.“[2] Steiner bezieht diese Vorstellung unmittelbar auf den sozialen Organismus, indem er sagt: „Die Auseinanderspaltung ist eigentlich immer da; es handelt sich nur darum, dass man findet wie die drei Glieder zusammen gebracht werden können, so dass sie nun tatsächlich im sozialen Organismus mit einer solchen inneren Vernunft wirken, wie, sagen wir, das Nerven-Sinnes-System, das Herz-Lungen-System und das Stoffwechselsystem im menschlichen Organismus wirken“[3]

Die anzustrebende funktionale Gliederung der Gesellschaft soll ja ausdrücklich nicht als Utopie verstanden werden, sondern beruht auf einer durch Empirie errungenen Erkenntnis von den notwendigen Lebensbedingungen dieser drei gesellschaftlichen Bereiche. Im nationalen Einheitsstaat seien diese drei Systeme in einer sich gegenseitig behindernden Weise miteinander verflochten. Erst in ihrer durchgreifenden funktionalen Trennung, ohne dass ein Gebiet in das andere in unberechtigter Weise eingreife und dadurch zu sozialen Komplikationen führe, könnten sie ihre eigenen Kräfte voll entfalten. Der Nationalstaat, der sich in einer nicht mehr zeitgemäßen Weise aus einem Volkszusammenhang herleite, sei damit überwunden. An seine Stelle trete eine Rechtsgemeinschaft.[4]

Mit diesem ordnungspolitischen Konzept skizzierte Steiner eine Sozialordnung, von der er annahm, "dass in ihr Freiheit und Solidarität gleichermaßen zu verwirklichen sind und der Prozess fortschreitender Emanzipation nicht nur nicht behindert, sondern sogar positiv unterstützt wird."[5] Den Begriff des sozialen Organismus will Steiner nicht als Analogieschema zu natürlichen Organismen verstanden wissen. Diesen, in den Sozialwissenschaften seiner Zeit nicht ungebräuchlichen Begriff verwendet er, weil er ihm am geeignetsten erscheint, den in fortwährender dynamischer Veränderung befindlichen Prozessen der sozialen Sphäre gerecht zu werden. Um diese komplexen Vorgänge realistisch zu erfassen, bedarf es nach Steiners Ansicht eines Übergangs von einer statisch-abstrakten zu einer lebendig-beweglichen, will heißen einer ‚organischen‘ Betrachtungsweise.[6]

Geistesleben

Die Freiheit im Geistesleben soll den Menschen die Ausbildung und Ausübung ihrer individuellen Fähigkeiten und eine kulturelle Vielfalt und Weiterentwicklung ermöglichen. Diese Freiheit könne sich nur in einer Struktur der Autonomie entfalten, in der das geistige und kulturelle Leben sowohl von den Interessen des Staates als auch von denen der Wirtschaft unabhängig bleibe. Die geringe Durchschlagskraft des intellektuellen und künstlerischen Bereiches für die gesellschaftliche Entwicklung leitet Steiner von dieser Abhängigkeit ab: „Man muss darauf hinschauen, was das Geistesleben in der Abhängigkeit von der Staatsgewalt und der mit ihr verbundenen kapitalistischen Gewalt geworden ist.“[7] Kultur und Wissenschaft können ihr Potential nur entfalten und die nötigen innovativen Impulse geben, wenn ihre Triebkräfte nicht von den Verwertungsinteressen der Wirtschaft oder den wechselnden Machtinteressen der Politik gespeist werden. Die Richtlinien und Ziele für Erziehung und Bildung können zur größtmöglichen Entfaltung der individuellen Fähigkeiten nur aus den Erkenntnissen ihres eigenen Bereiches gewonnen werden. Diese Autonomie soll nicht nur die Lehrenden, Erziehenden und Kulturschaffenden in ihrer spezifischen Tätigkeit betreffen, sondern auch die Verwaltung dieses Gebietes umfassen, welche somit von den hierin Arbeitenden möglichst selbst durchgeführt wird. „Dem Geistesleben kann nur seine Kraft werden, wenn es von dem Staatsleben wieder losgelöst wird, wenn es ganz auf sich selbst gestellt wird. Was im Geistesleben lebt, insbesondere das Schulwesen, muss seiner Selbstverwaltung übergeben werden, von der obersten Spitze der Verwaltung des Geisteslebens bis zum Lehrer der untersten Schulstufe.“[7]

Rechtsleben

Die Gleichheit im Rechtsleben soll die Rechte und Möglichkeiten jedes Einzelnen sichern.

Für Steiner stellte sich die Demokratie als eine der grundlegendsten und nicht hintergehbaren Forderungen der Gegenwart dar: "Das demokratische Prinzip ist aus den Tiefen der Menschennatur heraus die Signatur des menschlichen Strebens in sozialer Beziehung in der neueren Zeit geworden. Es ist eine elementare Forderung der neueren Menschheit, dieses demokratische Prinzip." [8]

In diesem demokratischen Rechtswesen soll nach dieser Ansicht demnach das beschlossen werden, worüber jeder einfach durch den Umstand urteilsfähig ist, dass er ein mündiger Mensch ist.

Der Staat soll nach den Vorstellungen der sozialen Dreigliederung als zentrale Machtinstanz zurücktreten und einen Teil seiner Aufgaben an die Gesellschaft abgeben. Das heißt jedoch nicht, dass diese autonomen Aufgabengebiete im rechtsfreien Raum stattfinden können. Sie stehen auf dem Boden der rechtsstaatlichen Verfassung. Die auf demokratischem Wege entstandene Rechtsordnung durchdringt alle Bereiche des Wirtschafts- und Geisteslebens und gibt den darin sich betätigenden Menschen die Sicherheit vor Willkür und Machtmissbrauch.[9]

Die Rechtsorganisation, die an die Stelle des aktuellen Staates träte, hätte zunächst die Aufgabe, die gegenwärtigen Gewalt-, Besitz- und Eigentumsverhältnisse in Verhältnisse überzuführen, die auf das Recht, in dem alle Menschen gleich sind, gebaut ist.

Eine weitere wesentliche Aufgabe wäre die umfassende Regelung des Arbeitsrechts. Arbeitszeit, Maß und Art der Arbeit sind nach Steiners Vorstellungen nicht innerhalb des Wirtschaftsorganismus zu regeln. Diese Dinge regelt die demokratische Rechtsorganisation unabhängig von den Forderungen der Wirtschaft. Um gleichberechtigter Partner in dem vertraglichen Ertragsteilungverhältnis zwischen Arbeitsleiter und Arbeitsleister zu sein, welches das bisherige Scheinverhältnis des Lohnvertrags ersetzt, muss der Einzelne das Arbeitsrecht in voller Ausgestaltung schon hinter sich haben, ansonsten kommt er nicht zu seinem Recht. Es gilt die Abhängigkeit des Arbeitsrechts von Konjunktur, Preisbildung etc. aufzuheben. Die wirtschaftlichen Konsequenzen wie etwa die Preisbildung sollen nicht die Ursache abgeben, sondern Wirkungen werden, dessen, was im Arbeitsrecht vereinbart ist. Der Mensch soll nicht gezwungen sein, seine Rechte den Bedürfnissen der Wirtschaft anzupassen, sondern das Arbeitsrecht wird für die Wirtschaft etwas sein wie die Naturgrundlagen selber. Nur durch diese unabhängige Rechtsbildung, kann der Mensch davor geschützt werden im Wirtschaftsprozess ebenso rigoros und mit optimaler Effizienz verbraucht zu werden, wie die Rohstoffe und die Produktionsmittel.

Wirtschaftsleben

Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben soll durch Assoziationen von Verbrauchern, Händlern und Produzenten in einem freien Markt gerechte Preise, sowie eine gerechte Güterverteilung ermöglichen. Aufgabe des Rechtslebens wäre es, den dazu erforderlichen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der Privateigentum an Produktionsmitteln und Kapital nicht enteignet oder verstaatlicht, sondern in Treuhandeigentum transformiert. Ein auf diese Weise neutralisiertes Kapital kann weder verkauft, noch vererbt, sondern nur in einer Art Schenkung an neue Eigentümer übertragen werden. „Das Eigentum hört auf, dasjenige zu sein, was es bis jetzt gewesen ist. Und es wird nicht zurückgeführt zu einer überwundenen Form, wie sie das Gemeineigentum darstellen würde, sondern es wird fortgeführt zu etwas völlig Neuem.“[10] Dadurch wäre es kapitalistischem Missbrauch durch gewinnmaximierenden Weiterverkauf oder Börsenspekulation entzogen. Andererseits wäre die Freiheit am Gemeinwohl orientierter Unternehmer und die Sozialbindung des Eigentums gesichert.

Neben die Umwandlung des alten Eigentumbegriffs hinsichtlich der Produktionsmittel, tritt die Grundüberzeugung, dass Arbeit nicht bezahlbar ist, mithin nicht gekauft werden kann. Der Warencharakter der menschlichen Arbeit ist nach Ansicht Steiners eine Restform der Sklaverei, deren vollständige Überwindung erst mit der Abschaffung des Lohnprinzips gegeben ist. Statt Arbeitslohn gibt es einen vertraglich vereinbarten Anteil am Gewinn. Innerhalb eines Betriebes entfallen durch die Neutralisierung des Kapitals die klassischen Rollen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers. Steiner schlug als eine neue Möglichkeit der Benennung die Begriffe Arbeitleister und Arbeitleiter vor. Diese stehen in einem Vertragsverhältnis: „Und dieses Verhältnis wird sich beziehen nicht auf einen Tausch von Ware (beziehungsweise Geld) für Arbeitskraft, sondern auf die Festsetzung des Anteiles, den eine jede der beiden Personen hat, welche die Ware gemeinsam zustande bringen.“[11]

Die Aufgabe der Überführung von Privateigentum an Produktionsmitteln in Gemeineigentum sollte von aus den Betrieben heraus gebildeten Betriebsräten, die sich mit allen anderen des Landes zu "Betriebsräteschaften" zusammenschließen, durchgeführt werden.[12]

In verschiedenen Interpretationen und Weiterentwicklungen der sozialen Dreigliederung variieren die Beschreibungen und Abgrenzungen der drei gesellschaftlichen Subsysteme ebenso wie konkrete Vorschläge zur Umsetzung und zur Organisation der Selbstverwaltung dieser drei Bereiche. Zentral ist jedoch die Zuordnung der drei Ideale Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu den drei Sphären der Gesellschaft Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben.


Dieses Ziel strebt diese Verfassunggebende Versammlung für das Staatswesen des Staates Preußen an.

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